Prof. Dr. Helmut Hoyer


Rektor der FernUniversität in Hagen

 

Laudatio von Univ.-Prof. Dr. Dr. Gerhard E. Ortner

 

Helmut Hoyer versteht sich – meistens – als ein Mann des Augleichs, des Ausgleichens, und er vermittelt auch – meistens - ein Gefühl der Ausgeglichenheit, der Ausgewogenheit, der, so würde ich es in meiner Terminologie am liebsten benennen, „Gesamtheitlichkeit“. Er steht gerne in der Mitte ideologischer und intellektueller Spektren und er steht auch häufig, das bringen seine Ämter mit sich, im Mittelpunkt. Nicht immer nur der Ehrungen, wie heute in diesem kleinen festlichen Rahmen, sondern häufiger als ihm lieb sein kann im Mittelpunkt von Auseinandersetzungen: von sachorientierten häufig, von interessensgeleiteten meistens. Und viele von diesen hat er zu regeln. Dass ihm dies in so vielen Fällen so gut gelingt, ist freilich weniger Wunder als Ergebnis von Professionalität: Helmut Hoyer ist von Beruf und Berufung, mit Verstand und Gemüt, mit Leib und Seele „Regelungstechniker“.

 

Das alles kommt nicht von ungefähr. Es hängt wohl mehr, als man dies bei einem Wissenschaftler vermuten könnte, mit seiner Herkunft und seinen Bildungs- und Berufswegen zusammen. Helmut Hoyer ist in der Mitte des deutschen Westens aufgewachsen, dort wo die Menschen dem im Lied besungenen kalten Wind trotzen, wo aber der verbindende Rhein nicht weit ist: Die Mischung von Gradlinigkeit und Verbindlichkeit kennzeichnet auch den Menschen Hoyer. Er ist seiner Heimat und seiner Herkunft verbunden, was man immer wieder akustisch erfahren kann, wenn er in kurzen Sitzungspausen mit seiner Gattin telekommuniziert.

 

Er begann seine akademische Berufsbildung, wie es bei Cicero heißt, „suo anno“. Genau in der Mitte des letzten Jahrhunderts geboren, verschrieb er sich der Elektrotechnik, diesem faszinierenden Hybrid aus schwingenden Elektronen und klingendem Edelmetall, und wo anders hätte er sich einschreiben können als in Karlsruhe an der Technischen Hochschule, die längst Universität ist und in deren Umfeld die Produkte der Informatik und der Informationstechnik aus dem Boden sprießen wie die Pilze im warmen Regen. In zwölf Semestern wurde aus dem Elektrotechnikstudent ein deutscher Ingenieur, und zwar einer der Fachrichtung Regelungs- und Steuerungstechnik, und seine Qualitäten und Qualifizierungen trugen ihm alsbald die Beschäftigung als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer Institut für Informationsverarbeitung in Technik und Biologie ein. Es ist nicht auszuschließen, dass Helmut Hoyer damals Bekanntschaft mit einem Kultbuch der Ingenieurstudenten der bewegten Zeit machte, mit dem Opus Magnum von „Denken und Erkennen im kybernetischen Prozess“ von Herbert Stachowiak, dem ersten Träger des Preises, den zu vergeben wir hier und heute zusammengekommen sind.

 

1979 wagt Helmut Hoyer den Sprung aus dem nordbadischen Informatikdorado Karlsruhe in die Lenne-Ruhrtal-Provinz Hagen: Er wurde für immerhin sechs Jahre wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl Automatisierungstechnik und Informationstechnik im Fachbereich Elektrotechnik der FernUniversiät in Hagen, die damals noch sehr viel anders hieß, und arbeitete zielstrebig an seiner Dissertation, die er dann 1984 erfolgreich verteidigte, worauf er mit allen Ehren zum Doktor-Ingenieur – einem urdeutschen akademischen Grad trotz der lateinisch-französischen Bezeichnung – promoviert wurde. Doktor Hoyer ging den weiteren Weg der wissenschaftlichen Qualifizierung durch praxisnahe Forschung und Entwicklung am Institut für Roboterforschung an der Universität Dortmund und kehrte nach einem ordentlichen Berufungsverfahren 1988 als Universitätsprofessor für „Prozesssteuerung und Regelungstechnik“ in den Fachbereich Elektrotechnik der FernUniversität in Hagen zurück.

 

Seine Forschungsschwerpunkte lagen in all diesen Jahren in den Bereichen Robotik und der unterstützenden Technologien für ältere Menschen und Menschen mit Behinderungen. Für seinen Einsatz und die Erfolge im letzteren hat der Bundespräsident im vergangenen Jahr Helmut Hoyer das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen.

 

All dies soll die Person und die Arbeit des hier und heute Auszuzeichnenden vorstellen, darstellen und illustrieren, hat aber, trotz höchsten Engagements und bemerkenswerten Ergebnissen, nichts – noch nichts – mit den Aktivitäten und Leistungen von Helmut Hoyer zu tun, die die Jury des Heinz-von-Foerster Preises bewogen hat, ihm den Ehrenpreis für Organisationskybernetik 2005 zu verleihen.

 

Die Reihe der preisbegründenden Fakten beginnt mit dem Jahr 1990, also immerhin vor 16 Jahren. Damals wurde Helmut Hoyer zum Dekan seines Fachbereiches gewählt, und er hatte sich fürderhin nicht mehr bloß um Forschung und Lehre, sondern auch um Führung und Verwaltung einer „Organisation“ – und zwar einer der rational und emotional besonders komplexen Art, eines Fachbereiches einer Universität im Aufbau nämlich zu kümmern. Dies stellte den geborenen und gekorenen Regelungstechniker vor völlig neue Aufgaben, die er – deutscher Ingenieur mit Robotikerfahrung – allerdings so gut meisterte, dass ihn der Konvent der FernUniversiät 1993 zum Prorektor wählte, sinnvollerweise mit dem Aufgabengebiet „Planung und Finanzen“. Die Mitarbeit im Rektorat verlief nach Ansicht des Konvents so erfolgreich, dass ihn dieser anschließend zum Rektor der FernUniversiät wählte. Und das ist Helmut Hoyer seitdem, vor wenigen Wochen erneut bestätigt. Seit 1999 gehört er als Vizepräsident dem Vorstand der Internationalen Vereinigung für Fernstudien – ICDE an, und von 2001 bis 2005 stand er der Landesrektorenkonferenz Nordrhein-Westfalen vor. Aus der endlos lange Reihe der Positionen, die teils mit der Funktion, teils mit der Person Helmut Hoyers zusammenhängen, sei eine hervorgehoben, weil sie den verbindenden Link zwischen der Regelungsaufgabe des Universitätsrektors und dem Arbeitsgebiet „Regelungstechnik“ des Universitätsprofessors für Prozesssteuerung markiert: Seit 2004 fungiert Helmut Hoyer als wissenschaftlicher Leiter des Zentrums für eCompetence in Hochschulen Nordrhein-Westfalens.

 

Was ist es nun genau und im Detail, was die Jury bewogen hat, Professor Hoyer den Ehrenpreis für Organisationskybernetik zu verleihen? Es gibt auch andere Rektoren, die Universitäten lange Zeit leiten, und es gibt auch andere Universitäten, an denen diese lange Leitung vom Erfolg der gesamten Organisation begleitet wurde, wobei man nicht immer genau weiß, inwieweit das eine mit dem anderen ursächlich zusammenhängt.

 

Zunächst zum Basisfaktum: Als Helmut Hoyer als wissenschaftlicher Assistent an die FernUniversität kam, war sie ein hochschulpolitisches Experiment, als er an sie berufen wurde, hatte sie sich innerhalb der deutschen Hochschullandschaft, sagen wir es journalistisch, „eingerichtet“, heute ist sie allgemein anerkannt, im Bereich Forschung und Entwicklung – wenigstens, wenn nicht mehr - zur Kenntnis genommen, und im Bereich moderner universitärer Lehre „Benchmark“.

 

Daran hat ein Rektor einer Universität schon allein auf Grund der traditionellen Entscheidungsstruktur hohen Anteil. Hier aber geht es um die Prozesse, bei deren Bewerkstelligung Helmut Hoyer erfolgreich Prinzipien angewendet hat, die die Preisstifter eben - im engeren oder weiteren Sinne – als organisationskybernetisch sehen, verstehen und bewerten. In den Jahren seiner erfolgreichen universitären Leitungstätigkeit ging es an der FernUniversität um einen grundsätzlichen organisationskybernetischen „Muster“-Wechsel. Das kreative Chaos der Gründerzeit musste durch eine gleichermaßen fassbare und zugleich anpassungsfähige Struktur „gefasst“ werden.

 

Am Beginn der FernUniversität stand eigentlich kaum mehr als der politische Wille, am bislang universitätslosen Standort Hagen eine staatliche Einrichtung des Tertiären Bildungsbereichs zu schaffen. Die bestehenden  „open universities“ im Ausland waren – wenn überhaupt - bloß vages Vorbild. Auch die eingeholten Gutachten und die Beratungen erbrachten – nehmt alles nur in allem – keine schlüssige Konzeption, die sich als Zielperspektive eignete, auf die hin man ein akademisches System – eine universitäre Organisation - hätte regeln können.

 

Genau dieses Defizit auszugleichen war die Aufgabe, der sich Helmut Hoyer als Rektor mit seinen Rektoraten und mit der Hochschulverwaltung stellte. Es ging um nicht mehr und nicht weniger, als die FernUniversität – wiewohl natürlich kultürliche Einrichtung – mit ihrer gleichsam naturwüchsigen „Gestalt“ zu einem regelungsfähigen soziotechnischen System zu formen. Dies war – und ist – ein überaus schwieriges Unterfangen. Weniger aufgrund faktischer oder methodischer Probleme, vielmehr deshalb, weil sich in chaotischen Organisationen bekanntlich „naturwüchsig“ Inseln und Erbhöfe bilden, deren Besitzer und Besetzer sich natürlich mit allen erdenklichen Argumenten und Aktionen gegen eine Beeinträchtigung ihrer Interessen wehren.

 

In einer Universität, in der sich Mitbestimmung und Hierarchie in eigentümlicher und auch eigenartiger Weise mischen, ist jedwede Änderung von etablierten Strukturen und eingeschliffenen Prozessen, auch wenn diese durchaus nicht erfolgreich verlaufen, ein überaus schwieriges Unterfangen. Dennoch konnte Helmut Hoyer spektakuläre Erfolge erzielen.

 

Gleichzeitig unternahm er es mit seinen Kollegen und Mitarbeitern erfolgreich, die offenkundige Effektivität der Arbeit FernUniversität durch nachgewiesene Effizienz zu ergänzen. Hier ging es für das Rektorat darum, die externe Sparverpflichtung durch interne Regelungen zu erfüllen, ohne jedoch die universitären Leistungen, insbesondere im Bereich Lehre und Weiterbildung, zu schmälern. Es ging also um Input-Output-Optimierung und es ging auch darum, die entsprechenden Stellgrößen zu identifizieren und an den gefunden Stellschrauben dieselben in der richtigen Richtung zu drehen. Auch dies ist weitgehend gelungen: Gemessen an der Personalausstattung liegt die akademische „Produktion“ der FernUniversität mit weitem Abstand an der Spitze des Tertiären Bereiches in Deutschland und wohl auch in der Welt.

 

Zwei weitere Aspekte des Erfolges, die die Handschrift von Helmut Hoyer tragen und in denen das Wirken organisationskybernetischer Prinzipien deutlich wird: 

  • Die einzigartige Studienstruktur der FernUniversität mit neu gestalteten Regelstudien, flexiblen Weiterbildungsstudien und – noch flexibleren – Akademiestudien. Eine Struktur, die sowohl den politischen Intentionen des legendären Bildungsgesamtplanes als auch wichtigen Anforderungen des Beschäftigungsystems entspricht.
  • Die Neuordnung des akademischen Bereiches mit nunmehr vier Fakultäten und die zielorientierte Vereinigung der zentralen Einrichtungen der FernUniversität und Ausrichtung auf die Erfordernisse der Blended Education im universitären Bereich.

Last but not least sollen durch die Verleihung des Heinz-von-Foerster-Preises für Organisationskybernetik die Leistung von Helmut Hoyer um die erfolgreiche Umsetzung der ministerialen Strategie der gesamtheitlichen „Globalisierung“ gewürdigt werden. Darunter ist die Einführung einer globalen Qualitätssicherung durch Abschluss von Zielvereinbarungen und die Umstellungen des Verrechnungssystems der staatlichen Finanzierung auf universitäsindividuelle Globalhaushalte zu verstehen. Mit diesen Maßnahmen wurden bislang zentralistisch wahrgenommene wichtige Regelungsaufgaben den allerdings auch zukünftig politisch und ökonomisch vom Staat getragenen Universitäten übertragen. Universitäten müssen sich an Hand von Zielmarken, denen sie selbst zugestimmt haben, überprüfen lassen. Finanzielle Verteilungskämpfe müssen innerhalb der akademischen Institutionen und ohne entschuldigende Verweise auf „die da oben“ ausgetragen werden. Die Universitäten der Zukunft sind gut beraten, sich zur Bewältigung dieser Situation rechtzeitig und ausreichend organisationskybernetisches Personalvermögen anzueignen.

 

Die FernUniversität in Hagen hat Glück: Ihr eben wieder gewählter Rektor hat ein überaus bemerkenswert hohes solches bereits nachgewiesen.

 

Hierfür wollen wir ihn heute auszeichnen.