Kurzdarstellung Heinz von förster preis


Ansprache von Prof. Gerhard E. Ortner am 3. September 2012 im Haus der Industrie zu Wien


„Was hat eigentlich ein Kuratorium Wirtschaftskompetenz für Europa mit den Konzepten von Heinz von Foerster zu tun?" Anders herum: „Was hat eigentlich Heinz von Foerster mit Wirtschaftskompetenz und sei es in Europa zu tun?" Schließlich: „Aus welchen Gründen hat sich dieses Kuratorium mit der Deutschen Gesellschaft für Kybernetik, Informations- und Systemtheorie zusammengetan, um einen Preis für konkretes Handeln auf der Grundlage kybernetischer Konstrukte zu vergeben?"

Wie aus der gemeinsamen Stiftungsurkunde hervorgeht, würdigt der Preis herausragende Leistungen in der Unternehmensführung und Managementberatung „auf der Grundlage des kybernetischen Denkens". Es geht also nicht in erster Linie um wissenschaftliche, sondern um praktische Arbeit auf der Basis theoretischer Erkenntnisse.

Und es geht um konkretes Handeln in erfahrbaren Institutionen. Es geht um das „Führen" von soziotechnischen Systemen, von sozialen Systemen mit einer sich permanent entwickelnden Sachapparatur, mit „rekursiver Technologie", der ein Beschleunigungsmoment innewohnt, von Systemen, die sehr konkrete Ziele verfolgen und die sich - heute und endlich - einer langfristigen, also „nachhaltigen" im ehemaligen Wortsinne, ökonomologischen Handlungsmaxima unterwerfen. Es geht um das systemische und personale Führen von Wirtschaftsbetrieben, von Unternehmen, um das „Management nach dem Umbruch", wie es nicht nur, aber nachdrücklich und als einer der ersten Peter Drucker formulierte und publizierte.

Organisationskybernetik erforscht interdisziplinär die Strukturen, Grenzen und Potenziale komplexer Organisationssysteme, wie sie Unternehmen darstellen. Diese werden auch im Hinblick auf soziale Strukturen (Heinz von Foerster) und die in ihnen agierenden Menschen sowie deren Entwicklung zu „wissensbasierten Arbeitern" (Peter Drucker) erforscht. Und sie müssen angewandt werden: zunächst schon bei der Einrichtung, sodann beim Betrieb. Beides sind personale Leistungen, die der „Kultur" - und eben nicht unmittelbar der „Natur" - zuzurechnen sind, sie erfordern bewusstes menschliches Handeln, das Ziele verfolgt und sich der Bedingungen des Erreichens derselben bewusst ist. Kurz und knapp: Unternehmen sind keine naturwüchsigen „Bioprodukte", sondern intentionale Kulturleistungen. Das mögen Künstler oder Kunstkritiker anders sehen, aber sie irren.

Aus kybernetischer Sicht gestaltet und steuert der Mensch die Systeme, die er findet oder die er erfindet. In dialektischer Interpretation wird er in Systeme geworfen und durch diese gesteuert. In der Managementkybernetik zeigt sich die Entwicklung als ein Produkt der Ideen und des Handelns, in der Dialektik unterwirft sich das Individuum einer Megamaschine, die es nicht zu beeinflussen vermag. Hier wird der humanistische Aspekt der Kybernetik deutlich, auch wenn sich deren Anwendung nicht immer in „humanen" Konsequenzen zeigt. Es sind Menschen, die sich der kybernetischen Konzepte und Instrumente zur Lösung ihrer Probleme - nicht der Probleme der Kybernetik - bedienen.

Die Steuerleute der Systeme mit ökonomologischen Aufgaben müssen die Kompetenz zur Bewältigung derselben allerdings erst einmal lernen - und zwar nach meinem Konzept der differenziellen Didaktik „vollständig": Sie müssen sie erfahren, sie einordnen, sie sich einprägen, um sie dann im Bedarfsfalle anwenden zu können. Der Erwerb und die Entfaltung sind dem Menschen als Möglichkeit grundsätzlich gegeben, das Können und Wollen muss erworben werden, um es zu besitzen und anzuwenden. Das Führen von Unternehmen, von Institutionen der unterschiedlichsten Intentionen, erfordert das, was ich individuelles Personalvermögen nenne, und was nur durch vollständige Lernprozesse erworben werden kann. Aus diesem Grund ist es unverzichtbar, dass intentionale Systemführung, also Management, und vollständige Kompetenzvermittlung als Gesamtheit gesehen und nach kybernetischen Grundsätzen betrieben werden.

Das hört sich vielleicht kompliziert an, ist aber eigentlich ganz einfach.

Charismatische Leader, die vom Himmel fallen, fallen nach aller Erfahrung recht schnell auf die Nase.

Und deshalb haben Kompetenz und Kybernetik sehr viel miteinander zu tun, und jemand, der sich erfolgreich mit Kompetenzvermittlung befasst hat, kann gar nicht anders, als kybernetische Konzepte in der Praxis der Kompetenzvermittlung eingesetzt zu haben.