Dr. Richard Straub


Laudatio von Prof. Dr.-Ing. Helmut Hoyer

 

„Nichts ist schwieriger als loben" - meinte der Schriftsteller Max Frisch. Ich muss hingegen sagen, dass mir meine heutige Aufgabe nicht schwer fällt. Im Gegenteil, es fällt mir leicht, die Leistungen des heutigen Preisträgers zu würdigen. Und es ist mir eine Ehre, denn ich bin der Meinung, dass die Jury mit Dr. Richard Straub eine ausgezeichnete Wahl für den Heinz-von-Foerster-Preis für Kommunikationskybernetik getroffen hat.

 

Heinz von Foerster hat einmal in einem Interview zu seinem Buch „Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners" darauf hingewiesen, dass man sehr wenig über Kybernetik erfährt, wenn man jemanden fragt, was Kybernetik eigentlich ist. Dafür erfährt man aber eine Menge über die Person, die die Frage beantwortet. Denn in den Antworten können sich zum Beispiel die fachliche Ausrichtung eines Menschen, sein Bezug zur Welt oder seine Begeisterung für das Management widerspiegeln. So sieht der Mathematiker Norbert Wiener die Kybernetik als Wissenschaft von der Regelung und der Nachrichtenübertragung in Lebewesen. Stafford Beer, Unternehmens- und Managementberater nennt die Kybernetik die Wissenschaft der Organisation.

 

Ich habe mich nun gefragt: Was würde wohl Dr. Richard Straub auf die Frage „Was ist eigentlich Kybernetik?" antworten und habe mich mit seiner Entdeckungsreise zur Kybernetik und dem dahinter stehenden Systemdenken beschäftigt.Dabei habe ich festgestellt, dass sich die Persönlichkeit von Richard Straub gewissermaßen schon im Wort Kybernetik widerspiegelt. Denn, aus dem Griechischen von kybernetes abstammend, bedeutet es „Steuermann". Und Dr. Richard Straub ist ein hervorragender Steuermann, als Unternehmensmanager und als Wissensarbeiter.

 

Meine Damen und Herren, der Kybernetik liegt bekanntermaßen das Prinzip der Zirkularität zugrunde. Um dieses Prinzip zu erläutern, hat Heinz von Foerster selbst das Beispiel des Kapitäns angeführt.

 

Stellen Sie sich vor, Sie sind Steuermann und mit ihrem Schiff auf hoher See. Plötzlich, im wahrsten Sinne des Wortes „aus heiterem Himmel", kommt ein Sturm auf. Der Wind wechselt ständig seine Richtung, mal kommt er von links, mal von rechts. Wie schaffen Sie es, Ihr Boot dennoch sicher zurück in den Hafen zu lenken? Sie können hier keinen Regeln folgen, sie müssen auf den Wind reagieren und die Kursabweichung, die er verursacht ausgleichen. Bläst er von links, steuern sie nach rechts gegen und umgekehrt. Indem Sie das Steuer betätigen, erzeugen Sie eine Wirkung. Drehen Sie das Steuer zu weit nach rechts oder links entsteht wieder eine Kursabweichung, Sie müssen also wieder gegensteuern. Ursachen erzeugen Wirkungen und Wirkungen erzeugen Ursachen - so kann man das Prinzip der zirkularen Kausalität und damit der Basis der Kybernetik schön zusammenfassen.

 

Um bei diesem Bild zu bleiben: Welche Eigenschaften zeichnen einen erfolgreichen Steuermann wie Dr. Richard Straub also aus? Meine Damen und Herren, ich denke, er muss vor allem eines können: Loslassen. Und zwar nicht das Steuer, sondern vermeintlich Bewährtes. Wenn es um Veränderungen geht, haben wir wohl alle irgendwann einmal den Satz gehört: „Das haben wir aber schon immer so gemacht." Würde ein Steuermann das - ungeachtet der Wetterverhältnisse - sagen, sein Schiff würde früher oder später an einer Klippe zerschellen. Reagiert er aber auf seine Umwelt, erkennt er, dass jede Veränderung des Wetters auch eine Veränderung seines Steuerverhaltens zur Folge haben muss - dann stehen die Chancen gut, dass er immer wieder seinen Zielhafen erreicht und von dort seine Reise fortsetzen kann.

 

Dr. Richard Straub ist als erfahrener Unternehmens- und Wissensmanager ein solcher Steuermann. Sein offenen Blick, das kritische Hinterfragen bestehender Denk- und Handlungsstrategien zeichnen ihn aus und spiegeln sich in allen Stationen seiner beruflichen Laufbahn wider. Die Kybernetik und das systemische Denken spielen dabei entscheidende Rollen. Lassen Sie mich dazu kurz einige Stationen seines Werdegangs und seines außerberuflichen Engagements in Organisationen und Verbänden skizzieren:

 

Nach seinem Jura-Studium und einigen Jahren bei der Alpine Montan AG kam Richard Straub 1973 zum IT-Riesen IBM. Zunächst, um beim Bild des Schiffes und dem Steuermann zu bleiben, übernahm er dort - sozusagen als Offizier -  verschiedene Stabs-Aufgaben. Mitte der 80er-Jahre übernahm er als Verantwortlicher für den Aufbau des PC Geschäftes in Österreich selbst ein großes Schiff der IBM.

 

Zu diesem Zeitpunkt hatte sich Straub bereits intensiv mit den Themen Kybernetik und Systems Thinking auseinandergesetzt, zu denen er zunächst über das St. Gallener Management-Modell gekommen war. Seine Motivation, sich weiter mit diesen Themen zu beschäftigten, hatte seine Wurzeln auch in der Unzufriedenheit über das damals im Unternehmensalltag bekannte Ursache-Wirkung-Denken. Er empfand es als sehr beengend und für die Steuerung von Unternehmen nicht geeignet. Der systemische Ansatz des St. Gallener Management-Modells, der das „große Ganze" betrachtete, erschien ihm weitaus geeigneter. Er erweiterte deshalb sein Wissen über systemische Ansätze im Unternehmensmanagement kontinuierlich und gab es weiter - zum Beispiel im Rahmen eines großen IBM-internen Seminars über neue Denkansätze im Management.

 

Meine Damen und Herren, wer wie Richard Straub das „große Ganze" betrachtet, für den ist der interdisziplinäre Austausch essentiell wichtig. Die Möglichkeit dazu nutzte  Straub zu dieser Zeit nicht nur durch seine Tätigkeit bei IBM, sondern auch durch sein Engagement bei der Wiener Akademie für Zukunftsfragen, die eng mit dem Club of Rome verbunden ist.

 

Der globale Gedankenaustausch mit namhaften Naturwissenschaftlern, Soziologen und Künstlern bereicherte Straub. Er stieß in dieser Zeit unter anderem auf die Werke Humberto Maturanas und Francisco Varelas. Die Idee der Autopoiesis inspirierte ihn, sich intensiver mit Fragen und Möglichkeiten des Komplexitätsmanagement von Organisationen und Unternehmen zu beschäftigten.

 

Anfang der 90er-Jahre, begann für Richard Straub die internationale Karriere bei IBM. Er wurde stellvertretender Generaldirektor des europäischen PC Geschäfts mit Sitz in Paris, später dann Regionaldirektor für Zentral- und Osteuropa. Parallel übernahm er Lehrtätigkeiten an verschiedenen Institutionen wie zum Beispiel an der Fakultät für Wirtschaft und Globalisierung der Donauuni Krems. Neue Anker in seiner persönlichen Entdeckungsreise zur Kybernetik und zum Systems Thinking fand Straub bei Peter Drucker, Chris Argyris und David Kolb.

 

Insbesondere die Überlegungen Peter Druckers zur Wissensarbeit und zum Wissensarbeiter - in der sich Drucker stark von der Idee der Autonomie und der horizontalen Verknüpfung von Wissensarbeitern, dem Selbstmanagement und der Selbstorganisation leiten lässt - waren für den Steuermann Straub Navigationshilfen für die Reise auf einem neuen Schiff. 1994 brach er nämlich bei IBM zu neuen Ufern auf und übernahm die weltweite Verantwortung für die interne Weiterbildung in den Bereichen Verkauf, Marketing und Industrie, etablierte sich schnell und wurde schon zwei Jahre später Chief Learning Officer bei IBM mit Sitz in New York.

 

Von 1995 bis 2005 vertrat Straub das Unternehmen IBM zudem in Initiativen mit der Europäischen Kommission. Weil die Liste zu lang wäre, möchte ich an dieser Stelle nur einige Beispiele nennen. So war er Vorsitzender des Career Space Consortiums, der European Learning Industrie Group und der Open Innovation Strategy and Policy Group.

 

Seit 2006 ist Dr. Richard Straub Freiberufler. Er ist unter anderem Mitglied der Geschäftsleitung der European Foundation for Management Development und Generalsekretär der European Learning Industry Group, Berater des Vorstands. Bei IBM Europe ist er zudem als Berater des Vorstands tätig. 2010 hat er das Präsidentenamt der Peter Drucker Society of Austria, die er mit gegründet hat, übernommen.

 

Ob in der Peter Drucker Society, der European Foundation for Management Development oder der European Learning Industry Group: Dr. Richard Straub steht für kybernetisches Denken und Handeln und damit gegen das reduktionistische Ursache-Wirkungs-Denken. Er trägt mit diesem Denken und Handeln dazu bei, dass die Selbstorganisation innerhalb von Unternehmen wachsen kann, dass sie leistungsfähig bleiben, sich weiter entwickeln und dabei die Bedürfnisse der Beschäftigten berücksichtigt werden. Mit praktikablen Beiträgen befruchtet er immer wieder die Diskussion zum Management von Komplexität.

 

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich hatte angekündigt, kurz den Werdegang und die Leistungen von Dr. Richard Straub zu skizzieren. Ich gebe zu, dass diese „Skizze" etwas länger ausgefallen ist. Ich kann Ihnen aber versichern, dass ich mich bereits kurz gefasst habe. Aber eben weil es so viele gute Gründe dafür gibt, Dr. Richard Straub den Heinz-von-Foerster-Preis für Kommunikationskybernetik zu verleihen, war es für mich auch so einfach, diese Laudatio zu halten.

 

Lieber Dr. Richard Straub, Herzlichen Glückwunsch und willkommen in der Reihe der Preisträger!